Eröffnungsrede (Auszug)
Petra Noll-Hammerstiel, Spotting,
im Rahmen von ©FOTOWIEN, 2019
In ihrer 2017 begonnenen Serie Snapshots geht Brigitte Konyen von mehr oder weniger schnell eingefangenen Momentaufnahmen von Menschen aus ihrer persönlichen Geschichte aus. Dieses Farb- und SW-Material scannt sie ein, bearbeitet und entwickelt es.
Aus den daraus entstehenden Fine Art Prints werden manuell Collagen gefertigt, also Unikate. Die Fotografien unterzieht Konyen in einem langen, handwerklich aufwändigen Prozess des Auswählens, Fragmentierens und Komponierens einer – auch intuitiven – Neuordnung.
Bei Konyen sind Fotografien grundsätzlich nie Endresultat, sondern sind immer Ausgangspunkt für weitere Bearbeitung.
Ihr Aneignungsprozess ist zu Beginn ein destruktiver, wie beispielsweise auch in ihren Fotoflechtbildern oder in ihren Montagen aus klein gerissenen Fotografien. In diesen verwendet sie auch, so wie hier in der Serie Snapshots, häufig Bilder aus ihrer eigenen Biografie, also Bilder von Ereignissen der Familiengeschichte, die bereits vergangen sind und nur noch erinnert werden können.
Der Serie Snapshots liegen Fotos ihrer weiblichen Vorfahren mütterlicherseits aus mehreren Generationen zugrunde.
Bilder von Frauen aus älterer Zeit mit religiös-konservativem gesellschaftlichen Kontext prallen auf Jüngere. Nur langsam ist es den Frauen gelungen, sich aus traditionellen Einengungen zu befreien, was sich auch an deren mehr oder weniger freizügigen Präsentationen und Kleidern zeigt.
Es sind Bilder für ein kulturelles Gedächtnis des weiblichen Körpers. Das Medium Collage – das lange Arbeiten am Material – hat Konyen geholfen, mental tiefer eintauchen zu können in die Familiengeschichte, ohne dass die individuellen Geschichten letztlich dominieren.
Aus mit extremen Schnitten herausgelösten Ausschnitten von Fotos verschiedener Zeiten wurden neue, meist zwei-, drei- oder auch vielfach geteilte, vertikal in unterschiedlich hohe Streifen gegliederte Bilder geschaffen.
Die Köpfe sind grundsätzlich nicht sichtbar; Einzelteile wie Arme, Beine, Füße, Teile von Oberkörpern – und somit Gesten, Posen und Körpersprache – bestimmen die Bilder. Meist sind neue, surreale Formationen entstanden, indem Körperteile unterschiedlicher Personen und Proportionen aneinander gesetzt wurden.
Die Bilder changieren zwischen Sein und Schein; die Einheit von Handlung, Raum und Zeit ist gesprengt.
Konyen öffnet den Blick in ihre Geschichte, verweigert aber gleichzeitig eine eindeutige Lesbarkeit und Zuschreibung der Personen,
konstruiert ihre eigene Wirklichkeit aus zahlreichen kleinen Erinnerungsfetzen.
Petra Noll-Hammerstiel, 2019